Adieu Michi - Ein Nachruf auf Michael Mandel
Von Ralph Müller
In unserer technologie-fixierten Branche, die sich so gern über physikalische Einheiten und technische Parameter definiert, sind die Gesichter derjenigen, die Innovationen vorangebracht haben, leider viel zu selten bekannt. Michael Mandel war da glücklicherweise eine Ausnahme. Man muss das allerdings etwas erläutern: Natürlich war „Michi“ Techniker durch und durch. Der Einstieg war, wie bei vielen von uns, ein Instrument: Als Drummer trat er, der 1960 in Stuttgart geboren wurde und in München aufwuchs, bei Schulfesten mit einer eigenen Band auf. Das „Premier“-Drumset tauschte er jedoch bald gegen ein Mischpult. Zwar bescherte ihm eine der ersten tontechnischen Begegnungen als „Mischer“ einer Band mit einem einfachen, kostengünstigen 16-Kanal-Pult ob des starken Grund-rauschens klanglichen Frust; als auf einem Konzert, das die Band seines jüngeren Bruders gab, bereits besseres Equipment zum Einsatz kam, da packte ihn die Ton-Technik und der Ehrgeiz, etwas qualitativ Hochwertiges abzuliefern. Das Equipment wurde nach und nach professioneller; als das Klangverhalten eines erstklassigen Mischers ihm Augen und Ohren zugleich öffnete, stand für Michael fest: das ist meine Berufung. Es folgte – gemeinsam mit Partnern – die Gründung einer eigenen Firma, bis er 1988 bei N&M einstieg und zunächst mit Jürgen Neumann und später dann Rudolf Pirc den Münchner Standort mit aufbaute.
Was Michael zu dieser Zeit der Grundsteinlegung „Süd“ bereits ausmachte, war sein ausgeprägter Instinkt für das, was Anwender und Kunden tatsächlich an Equipment benötigten und eine ideale Lösung für beschallungstechnische Herausforderungen ausmachte. Mit seiner tiefen Liebe zum Detail und einem unglaublich hohen Bewusstsein für Qualität holte er das non plus ultra im Equipment-Markt ins Unternehmen. N&M brachte dies in Folge das Image als Highend-Anbieter ein, von dem wir heute profitieren. Konsequent blieb er immer am Puls technischer Entwicklungen; mit zunehmendem Fokus auf weitere Gewerke vertiefte er sein Wissen in ebensolchem Maße auch hier.
Mit derartig geballter Kompetenz ausgestattet, stand er für die Technische Leitung des gesamten Unternehmens, ohne dass es die Funktion offiziell seinerzeit gab. Allein, weil er der Beste für diese Aufgabe war; erst später fand sich diese Position auch förmlich auf seiner Visitenkarte wieder. Federführend mitbegründete und gestaltete er das sogenannte Technische Gremium, eine Art Lenkungsausschuss für die technische Neu- und Weiterentwicklung sowie Investitionsempfehlungen in das N&M-Equipment. Michael entwickelte dessen Arbeitsweise über die Jahre hinweg weiter und wurde so zum Formgeber nicht nur dieser, für unser Unternehmen enorm wichtigen Institution – er schuf geradezu die Blaupause für alle weiteren N&M-Gremien. Seinem Teamgedanken und dem Grundsatz folgend, dass zusammen Lösungen für Probleme gefunden werden müssen, sorgte er dafür, dass die Aufgaben von den kompetentesten Schultern im Unternehmen gemeinsam getragen wurden. Die Kollegen auf diesem verantwortungsvollen Weg mitzunehmen, ihnen zugleich deutlich zu machen, dass der Einzelne im Sinne der Sache sich auch zurücknehmen müsse, das war ihm ein ebensolch tiefes Bedürfnis.
Zugleich blieb Michael derjenige, der insbesondere die audiotechnische Entwicklung von N&M maßgeblich lenkte und gestaltete. Dafür baute er schon sehr früh eine enge Bindung zu den Herstellern auf, den bereits namhaften und auch jenen, deren Renommee in den kommenden Jahren anwachsen würde. Denn – und das kann man wirklich so beschreiben –wenn angepriesene Neuheiten nicht einen tatsächlichen Mehrwert brachten, sie keinen echten Innovationsschub bedeuteten, sondern drohten, in den Regalen ihr Dasein unproduktiv zu fristen und nur Wenigen wirklich zu dienen, ließ er solche Equipment-Investitionen nicht widerspruchslos zu. Dafür hatte Michael den Begriff Nachhaltigkeit in seinem tatsächlichen Wortsinn wohl schon sehr früh und stark verinnerlicht.
Vielmehr gab er gemeinsam mit den N&M-Werkstätten, für deren Know-how-Erweiterung er beharrlich ebenfalls sorgte, qualifizierte Rückmeldungen an die Hersteller. In der Konsequenz steckten alle Beteiligten und er die Köpfe zusammen und brachten schließlich tontechnische Lösungen zur Marktreife, die heute nichts weniger sind als Meilensteine der Audio-Branche. So wurde Michael zu einem der gefragtesten Impulsgeber, im Unternehmen ebenso wie im gesamten Markt; seine Idealvorstellungen haben den Weg vorgegeben. Zugleich blieb er immer ein kritischer Geist. Neue Sichtweisen wägte er genau ab, reflektierte diese ausführlich und wollte sie ausdiskutiert wissen. Ihm war der Veränderungsdruck, dem wir in diesem Geschäft ausgesetzt sind, sehr bewusst und das „mit der Zeit gehen“ ein echtes Anliegen, für das alle Kollegen ins gemeinsame Boot geholt werden sollten. Seine Stimme hatte Gewicht, wie man so schön sagt, und zu der hatten alle ein Gesicht. Und das, wie schon erwähnt, ist in unserem Metier eigentlich viel zu selten...
Aus ähnlich technischer Leidenschaft entstand Michaels Liebe zum Motorradfahren. Sie begann mit einer „Hercules Enduro“ aus Bundeswehr-Beständen, die auf den Marmorfliesen im Flur des elterlichen Reihenhauses komplett zerlegt und wieder zum Laufen gebracht wurde. Das Hobby sollte dann viele Jahre ruhen, Vernunft und Verantwortung forderten ihren Tribut. Seine N&M-Kollegen waren es, die ihn erst viel später wieder zur alten Liebe führten – und aus der eine durchaus stattliche „Moto Guzzi“-Sammlung erwuchs. Natürlich hatte er sich auch hier wieder jede Menge Know-how draufgeschafft, schließlich sollte das Hobby einen festen Platz in den folgenden Jahren einnehmen. Eines, dass er nicht mehr wird ausleben dürfen...
Michael Mandel ist Mitte Juni kurz nach seinem 60. Geburtstag völlig unerwartet gestorben. Sein plötzlicher Tod hat seine Familie, seine Freunde, uns alle zutiefst erschüttert und ins Mark getroffen. Er wird unermesslich fehlen.
Ralph Müller ist Leiter des Ressorts Technik bei Neumann&Müller Veranstaltungstechnik und ein langjähriger Wegbegleiter von Michael Mandel.