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Konzertsaal-Sound für Star-Tenor Jonas Kaufmann

Dresden

Yamahas Rivage-Mixtechnik und TiMax Immersive-Sound-Processing verhelfen Star-Tenor Jonas Kaufmann auf der Berliner Waldbühne zu Konzertsaalatmosphäre durch ausgefeilte Audiotechnik.

Quelle: Production Partner 09/2018 | Text: Matthias Fuchs; Fotos: Arthur Koll

 

Ein klassisches Konzert im großen Rahmen open-air aufzuführen, stellt interessante Herausforderungen an Technik und Crew. Wir haben zu diesem Thema den Höhepunkt der ZDF-Reihe „Sommernachtsmusik“ auf der Berliner Waldbühne besucht. Unter dem Titel „Dolce Vita“ erfreute das Event mit hochkarätigen Künstlern: Zu hören waren Star-Tenor Jonas Kaufmann und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Jochen Rieder.

Audiotechnik: Herausforderung Klassik-Open-Air

Musikgenuss garantiert im Konzertsaal selbstverständlich die reinste und direkteste Form der Klangwahrnehmung – ohne jegliche Schallwandlung. Auch der größte Konzertsaal sorgt Dank entsprechender Akustik in allen Hörpositionen für ein optimales Hörerlebnis. Stellt man jedoch ein Sinfonieorchester samt Solisten auf eine große Open-Air-Bühne, wird eine PA unerlässlich. Zudem entfällt natürlich die Raumakustik. Die Herausforderung liegt auf der Hand: Wie schafft man mittels PA eine überzeugende Konzertsaalakustik mit befriedigender Tiefenstaffelung? Und das für gut 20.000 Zuhörer, verteilt auf viele tausend Quadratmeter?

Bei der Berliner Waldbühne handelt es sich um ein 1932 errichtetes, im Halbrund angeordnetes Amphitheater mit einer Gesamtfläche von etwa 70.000 m2 und Platz für gut 22.000 Zuschauer. Über der 24 Meter breiten Bühne befindet sich eine Zeltdachkonstruktion. Der FOH-Platz ist in den Rängen auf etwa einem Drittel der Höhe angeordnet. Die Waldbühne wird meist für Konzerte genutzt, hauptsächlich im Rock- und Popbereich. Die akustische Gesamtsituation ist recht dankbar, vor allem durch die weitestgehend fehlenden Reflexionen sind hohe Pegel vergleichsweise einfach zu handhaben.

Die Sommernachtsmusik wird alljährlich vom ZDF produziert und bildet einen der Höhepunkte des Konzertsommers. Die Beschallung des Events oblag den bekannten Klassik-Tonexperten der Neumann&Müller Veranstaltungstechnik und dessen Toningenieur Omar Samhoun. Er verfügt über ein umfangreiches Portfolio im Klassikbereich (u. a. Jose Carreras, Anna Netrebko, Placido Domingo). Den Monitormix übernahm Alex Nickol, ebenfalls von N&M. Materialdienstleister für die Veranstaltung war die in Berlin ansässige Firma Black Box Music. Interessant: Beschallungsanlage und Pulte wurden gleich am nächsten Tag nahezu unverändert für den ausverkauften Nick-Cave-Gig am selben Ort verwendet.

Immersive Audio

Um die eingangs erwähnten klanglichen Herausforderungen erfüllen zu können, bediente man sich eines Timax-Spatial-Audioprozessors des britischen Immersive-Audio-Spezialisten Soundhub, bereitgestellt von N&M. Dank guter Beziehungen zwischen N&M / Omar Samhoun und den Entwicklern des Timax von Out Board, konnte die brandneue FPGA-Version dieser Delay-Matrix mit 64-kanaligem Dante-Board vor dessen offiziellen Release zum Einsatz kommen. Laut Hersteller ermöglicht die neue Plattform dank vergrößerter Delay-Speicher und neuer, dynamischer Delay-Algorithmen eine bis dato unerreichte Transparenz bei der Reproduktion beweglicher Klangquellen. Tatsächlich war das System maßgeblich für das erstklassig tiefengestaffelte Klangbild in der Waldbühne verantwortlich. Die Leistungsfähigkeit konnte auch bei der versuchsweisen Einnahme von ungünstigen Positionen im Zuschauerhalbrund überzeugen. Zusammen mit der neuen Hardware kam die ebenfalls neue Steuer-Software Timax StageSpace zum Einsatz. Anhand eines maßstabsgerechten Lageplans für Mikrofon- und Lautsprecher-Positionen kompensiert StageSpace automatisch verschiedene Distanzen und Winkel zwischen Klangquellen und Zuhörer. So konnte in der Waldbühne nur mittels MainStereo-Arrays, Outfills, Frontfill und Delay-Lautsprechern ein absolut überzeugender Raumklang erzielt werden – weltweite Premiere für dieses System in einer Open-Air-Umgebung.

Yamaha-Mischtechnik

Voraussetzung für die Nutzung eines solchen Systems ist ein Mixsystem, welches genügend Ausspielwege bietet – in diesem Fall 70 bis 80 Busse. Bei Pulten dieser Größenordnung ist die Auswahl überschaubar. Yamaha-Produktspezialist Arthur Koll bemerkt, dass bei der Waldbühnen-Produktion ein Yamaha Rivage PM10 zum Einsatz kam, welches 90 von 108 zur Verfügung stehenden Ausgangsbussen nutzt. Zudem sind weit über 100 Mikrofone im Einsatz. „Unsere CL-Pulte sind für Anforderungen dieser Art nicht mehr groß genug, die Mixwege werden knapp. Die Vernetzung von Pulten ist natürlich möglich, aber hinsichtlich des Workflows nicht unbedingt die optimale Lösung. Zudem bräuchte man einen zu sätzlichen Mann für den Submix“, erklärt Arthur. „Somit hat sich FOH-Mixer Omar Samhoun für unsere neuen Pulte Rivage PM-10 interessiert, die sämtlichen Anforderungen dieses Events gerecht werden.“

Da N&M zwar zahlreiche CL-, jedoch noch keine PM-Pulte besitzt, kam Black Box Music mit seinen zwei PM-10-Konsolen als Ausstatter ins Spiel. Arthur Koll betont die Vorteile einer großen Konsole: „Früher haben wir bei Klassikkonzerten bis zu drei oder vier unserer CL-Pulte in einem DanteNetzwerk kaskadiert. Im Gegensatz zu solchen distributierten Systemen kann am PM-10 jeder Engineer in jeden Kanal hineinhören, wodurch sich der Mix wesentlich unkomplizierter gestaltet.“

Analogsound vom DSP

Interessanterweise findet auch im Klassikbereich die Analogsound-Emulation des Rivage-Systems wachsenden Zuspruch. Auch Omar Samhoun schätzt die in enger Zusammenarbeit mit Neve entstandenen Emulations-Algorithmen. Er hatte bei dieser Produktion für immerhin 70 Prozent aller genutzten Kanäle die Neve-Emulation zugeschaltet. „So kann ich sehr einfach und wirkungsvoll bestimmte Instrumente etwas hervorheben. Lege ich die Emulation beispielsweise auf die erste Pultreihe (Geige, Flöte, Klarinette), setzt sie sich hörbar vom Rest ab.“ Arthur Knoll ergänzt: „Auch umgekehrt funktioniert es gut. Ich kenne Toningenieure, die die Emulationen bevorzugt auf die zweite Reihe legen, um dort ein wenig mehr Präsenz zu schaffen.“

Virtual Soundcheck

Mittlerweile ein Standard-Feature und natürlich auch bei Yamahas Rivage-Pulten mit an Bord ist die Virtual-Soundcheck Funktion. Omar berichtet: „Aufgrund der Anwohnersituation durften wir bis jetzt (Vormittag der Aufführung, Anm. d. Red.) noch keinen Soundcheck über die PA machen. Somit habe ich gestern eine heiße Probe aufgezeichnet und sie später zum Virtual Soundcheck genutzt. Wir haben dabei ein Paar d&b Y10-Lautsprecher direkt vor dem FoH-Platz positioniert, um PA-Feeling zu bekommen – laut am FoH, leise für die Anwohner … Heute folgt kurz vor der Veranstaltung eine Zwei-Stunden-Probe, bei der ich dann richtig laut machen kann.“

Auf die Möglichkeit, die nicht unbeträchtlichen Lüftergeräusche der Scheinwerfer im Bühnenbereich mittels Cedar-System aus den Streichermikros zu filtern, hat Omar nach reiflicher Überlegung verzichtet. „Der Gesamt-Sound ist sehr gut. Um den Cedar einzusetzen, müsste ich auf die Schnelle einiges umstricken, und das ist zu risikobehaftet.“

Monitoring

Auch beim Monitoring wird auf eine Yamaha Rivage PM-10 gesetzt. Hier ist ebenfalls die hohe Anzahl der Kanäle einer der entscheidenden Faktoren. Monitor-Mixer Alex Nickol: „Ich habe hier 80 bis 90 Kanäle aufliegen. Die müssen sinnvoll gehandhabt werde, um bei Künstlerwünschen schnelle Eingriffe zu ermöglichen. Dabei ist die hohe Flexibilität im Signalfluss und bei der Bedienoberfläche des PM-10 sehr hilfreich. Anstatt das Monitoring über Mixbusse anzufahren, habe ich die Mixbusse als Stimmgruppen belegt und fahre das komplette Monitoring über die Matrix. Soll dann etwa das Orchester mal eben auf den Monitor, brauche ich nur zehn vorher zurechtgeschobene Mixbusse auf den Monitor zu schieben. Schön sind auch die beiden Cues, mit denen ich über Wedge und Kopfhörer abhören kann.“ Alex liefert den Musikern einen leichten Crossmix, denn insbesondere von der ersten und zweiten Violine wurde eine leichte Anhebung des Orchesters gewünscht.

Aufgrund der rundum offenen Bühne ergab sich für die Künstler eine etwas ungewohnte Akustiksituation, die Alex mit Hilfe von drei ins Pult integrierten VSS4HD Hall-Engines mit T.C.6000-Systemen korrigieren konnte. Die drei Engines versorgen jeweils die beiden Solisten und das Orchester mit einer Raumsimulation. Alex: „Es soll ja schließlich schön klingen …“