Zwei Urgesteine der Branche gehen
aus EVENT PARTNER 2/2018 | Text: Walter Wehrhan
Im Jahr 1981 gründeten Jürgen Neumann und Eberhard Müller die Neumann&Müller GbR Beschallungen, die zunächst für den WDR Hörfunk und dann für das Fernsehen Beschallungen durchführte.
Dass die Firmengründer vom Start weg erfolgreich waren, mag mit ihren unterschiedlich ausgeprägten Persönlichkeiten zusammenhängen – kaufmännische und kreative Begabungen ergänzen sich bei Neumann und Müller zu einem durchsetzungsfähigen Verbund. Von Anfang an wurde ein ausgeprägter Qualitätsanspruch verfolgt, und die bestmögliche Leistung im Rahmen gegebener Budgets zu liefern, ist bis heute eine zentrale Maxime im Hause N&M.
Teil der Firmenstrategie war von Beginn an, Verantwortung und Mitbestimmung auf mehrere verlässliche Schultern zu verteilen. Aktuell zeichnen 42 aktive Teilhaber für den Kurs des Unternehmens verantwortlich. Im Jahr 2005 wurde das praxisbewährte Teilhaberkonstrukt durch das Verankern einer Nachfolgeregelung auf zukunftssichere Füße gestellt, so dass ein wie auch immer begründetes Ausscheiden von Teilhabern aus der Unternehmensgruppe den Bestand von N&M als Gesamtheit nicht gefährden kann.
Abschied der Gründer
Eine weitere Besonderheit des Unternehmens ist auch der Gesellschaftsvertrag: Darin ist festgehalten, dass aktive Gesellschafter bei N&M im Monat des 61. Geburtstages aus ihrer aktiven Tätigkeit ausscheiden. Dies war im Januar 2018 bei Jürgen Neumann und im Februar 2018 bei Eberhard Müller der Fall. Beide ziehen sich entsprechend aus der aktiven Tätigkeit zurück, bleiben der Gesellschaft aber als Gesellschafter erhalten. Jürgen Neumann wird im „Ältestenrat“ weiter die Geschicke des Unternehmens mitgestalten. Eberhard Müller widmet sich mit einer Neugründung beruflichen Herausforderungen in einer gänzlich anderen Branche.
7 Fragen an Eberhard Müller
1. 1981: Alles richtig gemacht?
„Alles richtig“ – wer kann das schon von sich behaupten? Wenn man allerdings zurückblickt: Seit 1980 haben Jürgen Neumann und ich Ton-und Bildtechnik in Düsseldorf studiert, um Toningenieure zu werden. Durch Jobs beim Süddeutschen Rundfunk (SDR) in Stuttgart – der ja später mit dem Südwestfunk (SWF) zum Südwestrundfunk (SWR) verschmolzen wurde – habe ich Beschallungen für Radiosendungen kennengelernt.
Hinzu kam, dass wir beide in Düsseldorf in einer Band spielten. Jürgen am Bass, ich an den Drums. Somit hatten wir ja schon einiges an Equipment zusammen. Damit wollten wir neben dem Studium etwas Geld verdienen. Durch Beschallungen für den WDR war uns das möglich. Allerdings mussten wir hierzu eine Firma gründen. Das war die „Neumann&Müller GbR Beschallungen“. Und wenn man heute – nach fast 40 Jahren – schaut, was sich daraus entwickelt hat, haben wir augenscheinlich nicht viel falsch gemacht …
2. Wie wächst man als junge Menschen in die Professionalität und entwickelt sich zu einem führenden Unternehmen?
Die WDR-Beauftragungen waren anfangs zwar unsere einzigen Aufträge, da diese aber nur von einem angemeldeten Unternehmen ausgeführt werden durften, wurden wir gleich zu Beginn quasi von öffentlich-rechtlicher Seite auf Professionalität getrimmt. Dabei arbeiteten wir eher nach den Vorgaben des Nürnberger Instituts für Rundfunktechnik (IRT) als nach den Standards des Tour-Business. Die waren schon damals als abenteuerlich zu bezeichnen. Und für die Rock’n’Roller waren wir sicher auch „total uncool“.
Unser wichtigstes Kriterium war von Beginn an: Wir wollen immer Qualität liefern. Selbst in den Krisenjahren nach 2001 (nach den Anschlägen vom 11. September) sowie der Finanzkrise 2008/2009 haben wir uns gesagt: Solange wir mit und von unserem Qualitätsanspruch leben können, behalten wir ihn bei. Das hat sich über alle Jahre hinweg mehr als bewährt.
Zur Beschallung kam Licht, dann Video mit allen bildwiederge-benden Formaten, anschließend Rigging, Content Production, die metallverarbeitende Werkstatt etc. Dass das Konzept aufgeht, zeigt auch die Tatsache, dass wir in zahlreichen Dienstleisterrankings von Beginn an stets auf den vordersten Plätzen sind.
3. Wie kamen Sie auf die Idee der Mitarbeiterbeteiligungen?
Unsere ersten Mitarbeiter waren Kommilitonen. Da war Mitsprache auf Augenhöhe selbstverständlich. Wir haben diese dann sozusagen kultiviert: Zweimal jährlich gab es Treffen mit allen Niederlassungsleitern – 1985 wurde ja bereits die Niederlassung München eröffnet – bei denen wir alle unternehmensrelevanten Themen besprachen und entsprechende Beschlüsse bis hin zu Investitionsvorhaben trafen. Diese Art des Procederes haben wir dann später auch formal verankert und die Niederlassungsleiter als Partner und Mitunternehmer beteiligt. Denn wir haben schnell gemerkt, dass es die Motivation enorm stärkt, weil alle für ihr Unternehmen arbeiten. Nach wie vor findet halbjährlich diese Gesellschafterversammlung statt, die Themen bespricht und Entscheidungen fällt. Ich denke, das wird auch so bleiben. Vielleicht sind wir bei N&M durch so ein Vorgehen bei Entscheidungen etwas langsamer. Über die Jahre hinweg haben wir dadurch allerdings auch einige Fehler nicht gemacht.
4. Welche technischen Entwicklungen haben Ihrer Meinung nach die Veranstaltungstechnik entscheidend beeinflusst?
Anfang der 1980er Jahre waren das zunächst die Controller-gesteuerten Beschallungsanlagen (PAs), Ende des Jahrzehnts folgten kopfbewegte Scheinwerfer, dann leistungsstärkere Beamer. Ältere Kollegen erinnern sich bestimmt noch an deren Vorläufer: Eidophor-Projektoren mit Wasserkühlung, für die stets auch ein Wasseranschluss verlegt werden musste ... Seit einigen Jahren hat uns die Digitalisierung in allen technischen und administrativen Bereichen komplett erfasst; die prozessuale Umsetzung ist auch in unserer Branche in vollem Gange. N&M hat in der Konsequenz den Bereich „Event-IT“ geschaffen, um ein Angebot für leistungsstarke Netzwerke, WLAN sowie digitale Tools wie „come2interact“ und „come2present“ zu kreieren. In der Aufzählung darf definitiv der Siegeszug der LED-Technik nicht fehlen – sowohl bei der Bildgebung als auch im Lichtbereich.
5. Was ist an technischer Entwicklung noch zu erwarten?
Ich bin mir sicher: Die Weiterentwicklung der beiden letztgenannten Bereiche – Digitalisierung und LED-Technik – ist noch lange nicht abgeschlossen. In unserer Branche ist es doch so: Wir denken immer, das geht jetzt nicht besser – bis die nächste Entwicklungsstufe kommt.
6. Von der Technik zum Business: Die Branche der Veranstaltungsdienstleister hatte bzw. hat zum Teil mit Preis-Dumping zu tun. Wie sind Ihre Erfahrungen und was raten Sie der Branche für die Zukunft?
Das ist leider ein Thema, das unsere Branche schon seit langer Zeit begleitet. Im „Quality Performance Club“ (QPC) des VPLT diskutieren wir unter Kollegen die Probleme und das Phänomen ausführlich. Als einen Ansatzpunkt hat der VPLT gemeinsam mit dem EVVC vor Jahren bereits die DPVT und damit eine Zertifizierung initiiert. Ich selbst habe über zwölf Jahre daran mitgearbeitet und war bis zuletzt im Beirat tätig (dem neben dem VPLT und dem EVVC auch Vertreter der Fachbereiche und der VBG angehören). Diese Zertifizierung zu initiieren, war zugegeben wie das berühmte „dicke Brett zu bohren“. Nun steht diese – und ich hoffe, dass sich diese branchenspezifische Zertifizierung im Markt durchsetzt.
Um es auf einen Nenner zu bringen: Wir haben mit einer Reihe von Firmen für Veranstaltungstechnik und gemeinsam mit den Verbänden die Zertifizierung initiiert, weil wir nicht „die Dummen“ sein wollen, wenn wir die bestehenden Gesetze und Vorschriften einhalten. Wir stehen im Wettbewerbmit Anbietern, die sich darum nicht scheren und ihre Leistung erheblich billiger anbieten. Jetzt haben wir eine Grundlage geschaffen, auf deren Basis gesetzeskonforme Dienstleister mit dem Zertifikat in der Hand ihre Kunden über ein mögliches Auswahlverschulden aufklären und mit reellen Preisen den Zuschlag bekommen können. Das entspricht im Übrigen den Compliance-Regeln, denen sich die meisten Konzerne selbst unterworfen haben.
Ein weiterer Hintergrund ist meiner Meinung nach auch, dass es um unsere Branche kaufmännisch leider sehr schlecht bestellt ist. Investitionen werden nicht nach Auslastungs- und Renditegesichts-punkten getätigt,sondern weil es „geil“ ist, bestimmtes Equipment in der Vermietung zu haben. Dann wird versucht, die Regeln von Angebot und Nachfrage außer Kraft zu setzen. Schauen Sie, jedes Hotel und jede Airline hebt die Preise während der Ferien oder Messen an. Unsere Branche dumpt dagegen, selbst wenn eine IAA ins Haus steht und man von einer Vollauslastung ausgehen könnte. Dienstleister für Veranstaltungstechnik aus Deutschland bieten die weltweit höchste Qualität – und das geringste Preisniveau. Gegenüber den Vereinigten Staaten haben wir rund sechs bis neun Prozent weniger Marge. Deshalb wünsche ich mir sehr, dass wir uns nicht nur technisch weiter professionalisieren – da sind wir auf einem sehr guten Niveau –, sondern auch kaufmännisch. Und dazu gehört, dass man unrentable Jobs besser nicht macht und sich von denEinkaufsabteilungen nicht unter ein auskömmliches Niveau drücken lässt. Manchmal ist weniger eben doch mehr.
7. Sie verabschieden sich aus der Branche: Was werden Sie in Zukunft noch bewirken?
Mit solchen Vorhersagen tue ich mich immer schwer. Ich habe jetzt eine Firma für Unternehmenssanierungen gegründet, die von ihrem Konzept her erfolgsabhängig agiert, und die ich in den kommenden Jahren aufbauen möchte. Außerdem bin ich nach wie vor musikalisch aktiv: Ich singe in zwei Chören, in Hannover und Kiel, und habe seit vielen Jahren eine Soul- und Funk-Band. Seit drei Jahren bin ich darüber hinaus als Honorarkonsul für das Land Sierra Leone tätig. Ab April werde ich eine Aufgabe in einem Aufsichtsrat übernehmen. Und nicht zuletzt bleibe ich natürlich weiterhin N&M-Gesellschafter. Mir wird also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht langweilig.